Anrudern 2023: Mit der Spree auf der Havel

Am 2. April war es wieder soweit: Um die 40 Märkerinnen und Märker fanden sich schon früh morgens auf dem Bootshausgelände ein, um mit dem traditionellen Anrudern die Rudersaison 2023 einzuläuten. Nach einer Ausfahrt mit gemeinsamen Mittagsimbiss stand dieses Mal am Nachmittag noch ein besonderes Highlight auf dem Programm: Die Taufe unseres neuen Vierers ‚Spree‘. Ein persönlicher Erfahrungsbericht:

Die Uhr auf meinem Smartphone zeigt 07:12 Uhr, als die Mail im Posteingang aufploppt. „Heute findet auch der Berliner Halbmarathon statt“, heißt es in dem kurzen Schreiben unseres 3. Ruderwarts, wir sollen uns doch über mögliche Sperrungen in der Innenstadt informieren, um böse Überraschungen auf dem Weg nach Pichelswerder zu vermeiden. Irgendwas ist immer, denke ich schmunzelnd, während ich in der Küche sitze und noch eine Tasse Kaffee trinke, bevor ich meine sieben Sachen packe und mich auf den Weg in Richtung Bootshaus mache. Meist ist es die Zeitumstellung, heute begleitet also der Halbmarathon den Start in die neue Rudersaison.

Vorgewarnt und ohne Verzögerungen komme ich gegen 09:20 Uhr im Bootshaus an. Die bis dahin latent vorherrschende Müdigkeit schwindet in dem Maße, wie mir fröhliche Ruderkameradinnen und -kameraden auf dem Weg zur und in der Umkleide begegnen. Neben der Vorfreude auf die gemeinsame Ausfahrt beherrscht vor allem ein Thema die Gespräche zwischen Pullover ausziehen und Sporthose anziehen: Die von allen Seiten als unverschämt frisch empfundene Außentemperatur von gerade mal 4-5° Celsius. Da ich mir aber abgewöhnt habe, mich in Zeiten des Klimawandels allzu sehr über unterdurchschnittliche Temperaturen zu beschweren, stehe ich wenig später gut gelaunt vor der Bootshalle und warte auf die Einteilung der Mannschaftsboote: Ich ergattere einen Platz in der Pichelssee, gemeinsam mit Dirk und Eberhard. Das verspricht eine vergnügliche Ausfahrt zu werden. Während wir darauf warten, dass alle anderen ihre Boote fertig machen, fröne ich meiner Fotografier-Leidenschaft und halte das Boote-Tragen, am Steg-Plauschen und Stemmbrett-Einstellen im 16-9-Format fest. Es ist schön zu sehen, wie normal das Ruderleben knapp drei Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie nun doch seit einiger Zeit schon wieder ist.

Endlich sticht auch unser Zweier in See, bei zunehmend besser werdendem Wetter rudern wir bis zur Schleuse Charlottenburg, bevor wir das Bootshausgelände der Rudervereinigung Hellas Titania in der Scharfen Lanke ansteuern. Wir erreichen den Steg trotz kurzer Vollbremsung aufgrund unerwartet auftauchender Reusen unbeschadet und freuen uns auf das Mittagessen im Gastraum der dortigen Gastronomie.

Kurz bevor unser Essen serviert wird, steht ein wichtiger Tagesordnungspunkt an: Wir singen zum ersten Mal an diesem Tag ‚Happy Birthday‘, denn unsere wunderbare Vorsitzende Petra wird ausgerechnet an diesem Sonntag ein Jahr älter! Herzlichen Glückwunsch und ein dreifaches Hipp, Hipp, Hurra!

Doch da dieser Geburtstag nicht der einzige Anlass zum Feiern am heutigen Tag sein soll, machen wir uns schon bald auf den Rückweg zum eigenen Vereinssteg. Wieder werden Boote getragen und Holzplanken gewienert. Doch während immer mehr Boote in der Halle verschwinden, beginnen fleißige Helferinnen und Helfer Sektgläser aufzufüllen, Liederzettel zu verteilen und den eigentlichen Star des Tages für seinen großen Auftritt zu präparieren: Denn die ‚Spree‘, unser durch einen edlen Spender finanzierter Neuzugang, wird heute getauft! Der schöne blaue Vierer wird mit einer Märker-Flagge und einem Blumenkranz geschmückt, die Taufmannschaft im Märker-Dress verteilt sich um das E-Boot.

Als alle andächtig auf dem Bootsplatz stehen, erläutert erst Robert die technischen Eckdaten des Bootes, bevor Dominik die ‚Spree‘ mit einer genauso festlichen wie unterhaltsamen Rede ehrt und den neuen Vierer dann mit einer kleinen Sekt-Dusche offiziell im Bootspark des Märkischen Rudervereins willkommen heißt. Es folgen die Jungfernfahrt und der Ansturm auf das Kuchenbuffet im warmen Clubraum. Zwischen Kirschkuchen und Kaffeetasse lauschen wir einigen Ankündigungen und den obligatorischen Ehrungen – Wahnsinn, wie viele Kilometer einige Mitglieder im letzten Jahr wieder errudert haben. Zum Abschluss wird noch einmal ‚Happy Birthday‘ für Petra angestimmt, dann driften die Gespräche an den einzelnen Tischen in die Planung der kommenden Rudersaison ab. So ist es dann auch schon wieder fast kurz nach sieben, als ich mich auf den Heimweg zurück ins weit entfernte Neukölln mache. Während die U7 vor sich hin rattert, sichte ich die entstandenen Schnappschüsse auf der Kamera und freue mich schon auf den nächsten Besuch im Märkischen Ruderverein.

Rebecca

Rede zur Taufe des Gig-Doppelvierers ‚Spree‘ am 2. April 2023 im Märkischen Ruderverein

Am Ende des vergangenen Jahres war ein Kamerad aus einem anderen Verein hier im Bootshaus zu Gast, um mit uns gemeinsam aufs Wasser zu gehen. Als ich ihm vor der Ausfahrt, zugegebenermaßen mit einigem Stolz, unser neues Boot zeigte, schaute er mit leicht geweiteten Augen auf den dunkelblauen Vierer: Er kenne keinen anderen Verein, der sich ein E-Boot von Schellenbacher leiste, staunte er. Der Vierer, dessen Name noch nicht offiziell bekannt war und den sich nur einige wenige Eingeweihte unter vorgehaltener Hand zuflüsterten, schien eine Besonderheit zu sein. Auch ich selbst hatte ein vergleichbares Boot dieses Herstellers noch nicht auf unseren Gewässern gesehen, jedenfalls nicht bewusst.

Es gehört sicher schon etwas Mut und Selbstbewusstsein dazu, ein Boot, das vor allem für Wanderfahrten und den Ausbildungsbetrieb gedacht ist, von der anspruchsvollen Linzer Werft bauen zu lassen. Denn E-Boote werden in ihrem Einsatzbereich oft stärker beansprucht als die schlankeren C-Boote, für die sonntags um 13:00 oft schon wieder Feierabend ist. Der Luxus, den wir uns leisten, ist daher zugleich ein Auftrag an uns selbst, mit dem neuen Zuwachs im Bootspark pfleglich umzugehen und schon heute dafür zu sorgen, dass sich auch künftige Generationen an den edlen Hölzern und ihrer sorgfältigen Verarbeitung erfreuen können.

Im Märkischen Ruderverein wird sich dieses Boot nicht oft ausruhen können. Im Frühjahr stehen die langen und zahlreichen Ruderkurse für Anfänger an, im Sommer kommen Wanderfahrten hinzu und in den Herbststürmen des vergehenden Jahres ist ein breiter Rumpf schon immer ein treuer Begleiter gewesen. Auch die verträumten Kameradinnen und Kameraden werden es dem Vierer nicht leicht machen, werden doch ihre Anlegemanöver ebenso sportlich sein wie der Feierabend spät.

Dabei will sich unser jüngster Zuwachs durchaus nicht ungern ins Zeug legen, wenn er auf einer Wanderfahrt, voll beladen mit nicht immer notwendigem Gepäck, seine Mannschaft über einen vom Wind aufgewühlten See hinweg sicher ans Ziel bringt. Wir können und sollten diesem Vierer einiges zutrauen. Stärker noch als in anderen Booten gehört dazu auch, den Zusammenhalt zu bewahren: „Märkergeist“, Kameradschaft, Respekt und gegenseitiges Verständnis leben vor allem in einem Boot, in dem Anfänger ihre ersten Ruderschläge machen, kraftstrotzende Vielruderer lange Wanderfahrten ohne Landdienst unternehmen und Senioren zu einer gemütlichen Einkehrfahrt aufbrechen. Das Boot wird Identifikationspunkt für Jung und Alt sein und somit weiter an der Brücke zwischen den Generationen bauen.

So selbstverständlich wie die Kameradschaft an Bord ist in unserem Ruderrevier auch der Name, den dieses Boot tragen soll. Selbst wenn er hier wohl kaum jemandem auffallen wird, ist er doch so prägnant wie erhaben, und die Königin der Berliner Gewässer ist das Mindeste, was dieses Boot verdient.

Deshalb wünsche ich mir, dass dieser Vierer seinen Namen nicht nur hier, sondern auch auf anderen Gewässern Deutschlands und Europas zeigen wird. Das Boot soll uns mit diesem Namen nicht nur selbst immer wieder an die Einmaligkeit unserer vielfältigen Gewässerlandschaft erinnern, sondern ebenso in der Ferne auf die herrlichen Ruderreviere im Land zwischen Elbe und Oder aufmerksam machen. Indem er für unsere Gewässer und somit für das steht, was die Grundlage unseres Sportes ist, soll dieser märkische Vierer das Zusammenwachsen nicht nur der Berliner und Brandenburger, sondern auch der deutschen und europäischen Ruderfamilie fördern. Ich bin der Überzeugung, dass die Kameradschaft, die in einem Wanderruderboot entsteht, auf diese Weise einen Beitrag dazu leisten kann, unser Leben in Berlin, in Deutschland und in Europa ein Stück besser zu machen.

In diesem Sinne wünsche ich dir umsichtige Obleute, allezeit gute Fahrt und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel. Ich taufe dich auf den Namen SPREE!

Dominik