Wanderrudern

Die Welt vom Wasser aus erkunden – das ist das Motto des Wanderruderns. Wanderruderer nutzen die Fortbewegung im Ruderboot, um Flüsse und Seen zu entdecken, die Natur zu genießen und Gemeinschaft zu erleben. Doch wer sind diese Wanderruderer? Wie ist der Sport entstanden und wie wird er aktuell ausgeführt? Werfen wir einen Blick auf eine wunderschöne Sportart.

Wanderrudern ist ein Teilbereich des Rudersports. Im Mittelpunkt des Wanderruderns stehen sogenannte Wanderfahrten, also von der Strecke her längere Ausfahrten mit dem Ruderboot, die oft über mehrere Tage gehen. Per Definition des DRV spricht man von einer Wanderfahrt, wenn an einem Tag mindestens 30 Kilometer zurückgelegt werden oder es sich um eine mehrtägige Fahrt handelt, bei der mindestens 40 Kilometer Strecke gemacht werden (1).

Doch Wanderruderer sind natürlich nicht immer nur auf Wanderfahrten unterwegs. Der Alltag spielt sich auf den „Hausgewässern“ des jeweiligen Rudervereins ab. Doch auch bei diesen alltäglichen Ausfahrten geht es eher um Strecke, wohingegen beim Rennrudern, dem anderen Teilbereich des Rudersports, Geschwindigkeit im Mittelpunkt steht. So legte zum Beispiel eine Mannschaft, die 2019 vom Steg des Märkischen Rudervereigns zu einer Ausfahrt aufbrach und am selben Tag wieder zurückkehrte, im Durchschnitt 19,45 Kilometer zurück. Rechnet man die Tageswanderfahrten von über 30 km Länge heraus, liegt die durchschnittliche Länge einer Ausfahrt immer noch bei 18,4 Kilometern (2).

Ein weiterer zentraler Unterschied zum Rennrudern findet sich in den genutzten Bootstypen: Statt in schmalen Rennruderbooten, rudern Wanderruderer in etwas breiteren und stabileren Gig-Booten, Seegigs, Barken oder Kirchbooten (3).


(1) Vgl. Deutsche Sporthochschule Köln (2019). Wanderrudern. Beschreibung der Sportart. Abrufbar unter: https://www.natursport.info/natursportarten/zu-wasser/wanderrudern/ (10.08.2020).

(2) Vgl. Märkischer Ruderverein e. V. (2020). Fahrtenbuch 2019. Herausgerechnet wurden alle Fahrten mit Fremdbooten, Fahrten, die nicht am MR-Steg begonnen haben sowie Mehrtages- und Ausbildungsfahrten.

(3) Vgl. Deutsche Sporthochschule Köln (2019). Wanderrudern. Beschreibung der Sportart. Abrufbar unter: https://www.natursport.info/natursportarten/zu-wasser/wanderrudern/ (10.08.2020).

Wanderrudern ist eine fast ausschließlich vereinsgebundene Sportart – so gibt es kaum kommerzielle Anbieter, die zum Beispiel Wanderruderboote an Touristen vermieten. Der zentrale Verband der Ruderer in Deutschland ist der Deutsche Ruderverband e. V. (DRV). In ihm sind ca. 600 Mitgliedsvereine organisiert (1), die im Jahr 2019 86.762 aktive Mitglieder hatten. 2009 waren es 80.385 Mitglieder – der Rudersport weist damit trotz des demographischen Wandels einen insgesamt positiven Trend auf (2). Mittlerweile betätigt sich zudem der größere Teil der im DRV organisierten Mitglieder als Wander- und nicht als Rennruderer (3). Der für Berlin zuständige Landesverband, der Landesruderverband Berlin e.V., hat rund 60 Mitgliedsvereine (4).


(1) Vgl. Deutscher Ruderverband (o. J.). Mitglieder / Vereine. Abrufbar unter: https://www.rudern.de/verband/mitglieder (10.08.2020).

(2) Vgl. Deutscher Ruderverband (2019). Steigende Mitgliederzahl im DRV. Abrufbar unter: https://www.rudern.de/news/2019/steigende-mitgliederzahl-im-drv (10.08.2020).

(3) Vgl. Deutsche Sporthochschule Köln (2019). Wanderrudern. Organisation der Sportart. Abrufbar unter: https://www.natursport.info/natursportarten/zu-wasser/wanderrudern/ (10.08.2020).

(4) Vgl. Landesruderverband Berlin e. V. (2020). Rudern in Berlin. Vielfältig wie die Stadt. Abrufbar unter: https://www.lrvberlin.de/images/Dokumente/LRV_Flyer_2020_www-komprimiert.pdf (10.08.2020).

Knapp 60 Prozent (56,9 %) der Wanderruderer haben schon in der Kindheit und Jugend mit dem Wanderrudern angefangen. Das ist das Ergebnis einer quantitativen Online-Befragung von über 1000 aktiven Wanderruderern, die in den Jahren 2016/2017 von der Deutschen Sporthochschule Köln durchgeführt wurde (1). Der durchschnittliche Wanderruderer, das zeigt die Studie ebenfalls, ist allerdings deutlich älter, nämlich 52,5 Jahre. Männer sind mit 53,7 Jahren etwas älter als Frauen, die im Schnitt 50,2 Jahre alt sind. Das durchschnittliche Alter der Wanderruderer ist damit höher als bei Kanuwanderern (40 Jahre), Wanderern (47 Jahre) und Radurlaubern (45,7 Jahre). Das Durchschnittsalter der Wanderruderer ist auch höher als das aller im DRV organisierten Mitglieder: Während im DRV insgesamt 43 Prozent der Mitglieder unter 40 Jahre alt sind, sind es unter den Wanderruderern nur 22 Prozent. Das hohe Durchschnittsalter zeigt, dass Wanderrudern bis ins Alter ausgeübt (und auch erlernt) werden kann; nicht selten sind Wanderruderer über 70 Jahre alt. Das Geschlechterverhältnis von Wanderruderern verhält sich dagegen ähnlich wie im gesamten DRV: Frauen stellen etwa ein Drittel, Männer zwei Drittel aller Wanderruderer (2).


(1) Vgl. Mühl, Stefan (2018). Ergebnisse der Wanderruderstudie Teil I. Demographische Merkmale von Wanderruderern. In: Rudersport (1/2018), S. 28-29.

(2) Vgl. Mühl, Stefan (2018). Ergebnisse der Wanderruderstudie Teil I. Demographische Merkmale von Wanderruderern. In: Rudersport (1/2018), S. 28-29.

Die Hauptmotivation für das Wanderrudern ist für viele Wanderruderer das gesellige Erlebnis mit Freunden und Bekannten. Daneben sind es entdeckerische Motive wie Neugier, Fernweh und Reiselust bzw. der Wunsch, neue Gewässer und Landschaften zu erkunden, die Wanderruderer zu Wanderfahrten animieren. Auch die Möglichkeit der aktiven Erholung bzw. das Abstandgewinnen vom Alltag und das Erleben der Natur sind wichtige Motive. Rein sportliche Motive spielen dagegen eine untergeordnete Rolle. So nimmt zum Beispiel nur ein Drittel der Wanderruderer an einer Wanderfahrt teil, um sich leicht sportlich zu betätigen (32,2 %) und sogar nur ein Viertel, um viele Kilometer zu rudern (24,6 %) (1).


(1) Vgl. Deutsche Sporthochschule Köln (2019). Wanderrudern. Beschreibung der Sportart; Motive der Sportler*innen. Abrufbar unter: https://www.natursport.info/natursportarten/zu-wasser/wanderrudern/ (10.08.2020).

Knapp die Hälfte (46 %) der im DRV organisierten Rudervereine hat 2016 eine Wanderfahrt über das Elektronische Fahrtenbuch an den DRV gemeldet (1). Zusätzlich zu den Fahrten der Vereine organisiert auch der DRV zusammen mit den Landesverbänden jedes Jahr einige Wanderfahrten (2). Im Durchschnitt macht jeder Wanderruderer drei mehrtägige Fahrten pro Jahr. Jüngere Wanderruderer sind aber deutlich weniger häufig unterwegs als ältere Ruderer, was sicherlich auch am verfügbaren Zeitbudget liegt (3). Eine mehrtägige Wanderfahrt dauerte 2016 im Durchschnitt vier Tage. Tendenziell scheint dabei zu gelten, je mehr Fahrten eine Person pro Jahr unternimmt, desto kürzer ist die Dauer der einzelnen Fahrten – und umgekehrt. Also quasi: Je häufiger, desto kürzer und je weniger, desto länger (4).


(1) Vgl. Mühl, Stefan (2018). Ergebnisse der Wanderruderstudie Teil II. Räumliche Nutzungsmuster von Wanderfahrten. In: Rudersport (3/2018), S. X-Y.

(2) Vgl. Deutsche Sporthochschule Köln (2019). Wanderrudern. Organisation der Sportart. Abrufbar unter: https://www.natursport.info/natursportarten/zu-wasser/wanderrudern/ (10.08.2020).

(3) Vgl. Mühl, Stefan (2018). Ergebnisse der Wanderruderstudie Teil I. Demographische Merkmale von Wanderruderern. In: Rudersport (1/2018), S. 28-29.

(4) Vgl. Mühl, Stefan (2018). Ergebnisse der Wanderruderstudie Teil III. Gemeinschaft an erster Stelle. In: Rudersport (4/2018), S. 40-42.

Die meisten Tageswanderfahrten führen auf die Berliner Gewässer und den Rhein, wo sich auch besonders viele Rudervereine befinden. Ganze 2025 Fahrten für Berlin und 1880 für den Rhein sind hier 2016 gemeldet worden. Kleinere lokale Schwerpunkte mit mittlerer bis hoher Intensität finden sich auch in Bremen und Hamburg. Auch mehrtägige Wanderfahrten finden besonders oft in und um Berlin statt. Neben Havel, Dahme und Spree, zeigen sich hohe Intensitäten auch auf umgebenden Gewässern, wie den Rüdersdorfer und Teupitzer Gewässern im Osten und den Nebengewässern der Havel bis zur Müritz im Norden. Beliebt sind außerdem Weser, Rhein und Elbe; kleine lokale Schwerpunkte mit hoher Intensität finden sich aber zum Beispiel auch auf den Gewässern zwischen Ratzeburg und Lübeck. Aufgeschlüsselt nach Art der Gewässer zeigt sich, dass Ruderer für Wanderfahrten vor allem Haupt- (34,2 %) und Nebenwasserstraßen (44,2 %) nutzen (1).


(1) Vgl. Mühl, Stefan (2018). Ergebnisse der Wanderruderstudie Teil II. Räumliche Nutzungsmuster von Wanderfahrten. In: rudersport (3/2018), S. X-Y.

Rudern ist ein Sport, der ganzjährig ausgeübt werden kann, solange die Gewässer nicht zugefroren sind. Die meisten Wanderfahrten finden wenig überraschend trotzdem in den Sommermonaten zwischen Mai und Oktober statt. Besonders der Mai bietet sich mit seinen vielen Feiertagen für mehrtägige Fahrten an (1).


(1) Vgl. Mühl, Stefan (2018). Ergebnisse der Wanderruderstudie Teil III. Gemeinschaft an erster Stelle. In: Rudersport (4/2018), S. 40-42.

68,5 Prozent der in der Online-Studie befragten Wanderruderer gaben an, dass ihre mehrtägigen Wanderfahrten oft oder sehr oft mehrere Etappen mit wechselnden Standorten haben. Die Länge der einzelnen Etappen variiert dabei mit der Art des Gewässers: Der Median einer Tagesetappe liegt auf fließenden Gewässern bei 50 km; bei stehenden Gewässern sind es nur 35 km. Das Gepäck wird dabei oft über einen Landdienst transportiert, seltener im Boot (1).


(1) Vgl. Mühl, Stefan (2018). Ergebnisse der Wanderruderstudie Teil III. Gemeinschaft an erster Stelle. In: Rudersport (4/2018), S. 40-42.

Übernachtet wird auf Wanderfahrten am häufigsten bei anderen Vereinen auf Luftmatratzen oder in Betten. Erst danach kommen Pensionen, Hotels oder Jugendherbergen. Noch seltener wird campiert. Ungefähr die Hälfte der Wanderruderer (51,0 %) unternimmt neben dem Rudern auf einer Wanderfahrt noch weitere gemeinsame Aktivitäten, seien es gesellige Gruppenabende, ein gemeinsamer Restaurantbesuch oder Besichtigungen in umliegenden Orten. Ungefähr ein Drittel (31,3 %) nutzt die Wanderfahrt auch zum Schwimmen und Baden (1).


(1) Vgl. Mühl, Stefan (2018). Ergebnisse der Wanderruderstudie Teil III. Gemeinschaft an erster Stelle. In: rudersport (4/2018), S. 40-42.

Im Schnitt geben Wanderruderer auf einer Wanderfahrt 68,52 Euro pro Tag und Person aus. Der Großteil wird dabei für die Unterkunft, gastronomische Angebote oder Lebensmittel verwendet. Tendenziell geben Männer mit 68,76 Euro tendenziell mehr aus als Frauen, die im Schnitt nur 61,01 Euro ausgeben. Der Unterschied ergibt sich durch höhere Ausgaben von Männern für Gastronomie und Lebensmittel (1).


(1) Vgl. Mühl, Stefan (2018). Ergebnisse der Wanderruderstudie Teil III. Gemeinschaft an erster Stelle. In: rudersport (4/2018), S. 40-42.

Wanderruderer messen sich regelmäßig anhand von Kilometerwettbewerben oder Langstreckenregatten. Der Wanderruderpreis des DRV wird jährlich an die Vereine mit der höchsten Gesamt-Ruderleistung vergeben. Der Fahrtenwettbewerb zeichnet dagegen einzelne Ruderer aus, die in einem Jahr eine bestimmte Kilometeranzahl gerudert sind und auch eine bestimmte Anzahl von Wanderfahrt-Kilometern erreicht haben. Ruderer, die das Fahrtenabzeichen besonders oft erhalten haben und dabei insgesamt über 40.077 km gerudert sind, erhalten den sogenannten Äquatorpreis; sie sind also quasi einmal um die Erde gerudert (1). Im Märkischen Ruderverein gibt es zurzeit vier Äquatorpreisträger. Einer davon hat den Preis sogar schon zweimal erhalten. Zudem gibt es Langstreckenregatten, wie das 24h-Rudern oder den Wesermarathon.


(1) Vgl. z. B.: DRV (2020). Informationsrundschreiben Wanderrudern 2020. Abrufbar unter: https://www.rudern.de/sites/default/files/downloads/2020_-_informationsrundschreiben_wanderrudern_0.pdf (13.10.2020).

Die Anfänge dessen, was wir heute als Rudern bezeichnen, reichen mehrere Tausend Jahre zurück. Den sportlichen Ursprung hat das Rudern in England; schon 1829 traten hier die Achtermannschaften der Universitäten Oxford und Cambridge gegeneinander an (Oxford gewann). Als ältester deutscher Ruderverein gilt der Hamburger Ruderclub (heute Der Hamburger und Germania RC). Der Verein wurde 1836 gegründet; 1883 folgte die Gründung des Deutschen Ruderverbandes (1). Wanderrudern kam erst Ende des 19. Jahrhunderts auf. Viele um die Jahrhundertwende gegründete Rudervereine hatten das Ziel, durch das Wanderrudern (anstelle des teuren Regattaruderns) nun auch weniger begüterten Kreisen den Zugang zum Rudern zu ermöglichen. So auch der 1901 gegründete Märkische Ruderverein (2). Schon 1905 wurden im MR ganze 105.599 km gerudert. Richard Mickley, ein Vereinsmitglied, kam alleine auf 6037 km (3). 1911 wurden im DRV der Ausschuss Wanderrudern ins Leben gerufen sowie erste Wettbewerbe für Wanderruderer ausgelobt (4).

Wohl eine der berühmtesten Frauen, die schon zu dieser Zeit wanderruderten, ist Marie von Bunsen. Sie erkundete 1905 vom Ruderboot aus Havel, Werra, Weser und Oder – und das ganz allein. Ihre Erlebnisse hielt sie in einem Tagebuch fest (5).


(1) Vgl. Deutscher Ruderverband (o. J.). Chronik des Rudersports in Deutschland. Abrufbar unter: https://www.rudern.de/sportart-rudern/geschichte (10.08.2020).

(2) Vgl. Wikipedia (2018). Wanderrudern. Abrufbar unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Wanderrudern. (10.08.2020).

(3) Vgl. Märkischer Ruderverein e. V. (2001). 100 Jahre Märkischer Ruderverein e. V. Festschrift. Berlin, S. 103. Online abrufbar: https://maerkischerrv.de/wordpress/wp-content/uploads/2017/04/MR-Festschrift.pdf (10.08.2020).

(4) Vgl. Deutscher Ruderverband (o. J.). Chronik des Rudersports in Deutschland. Abrufbar unter: https://www.rudern.de/sportart-rudern/geschichte (10.08.2020).

(5) Vgl. Von Bunsen, Marie (1914). Im Ruderboot durch Deutschland (unveränderter Nachdruck 2012). Salzwasser Verlag GmbH, Paderborn.