Traversée de Paris. Der Versuch einer Verdichtung.

Mit dem Zug nach Paris – im Gepäck acht Flaschen Bier. Erreichen wir den Anschlusszug? Schweißperlen auf der Stirn – trage auch noch Sabines Tasche. Dreihundertachtzehn km/h Höchstgeschwindigkeit. Metro-Streik. Zum Glück vorgewarnt von Bernard. Gare de l’Est gesperrt. Zu Fuß zum Gare du Nord. Kompetentes junges Führungsteam (Dominik, Rebecca und Karolin) lotst den Rest durch das Pariser U-Bahn-System. Billancourt – Hochhaussiedlung, Baustellen. Hotel Lagrange – Doppelzimmer ungemacht. Französische Betten, mit nur einer Decke. Abends zum Italiener – Ulf Nachzügler.

Frühstück: Eier roh oder gehen beim Kochen verloren. Am Nachbartisch Holländer – denen geht’s genauso. Aufbruch zum Park Nautique. Märker verlaufen sich. Ulf ist pünktlich. Endlich Bernard. Erklärungen – Besichtigung – T-Shirt-Anprobe (dieses Jahr keine einheitlichen) – Geschenkübergabe: Berliner Bohne, Potsdamer Stangen, Buch über unsere Stadt und Honig aus Charlottenburg. Entlassung – leider kein Rudern möglich, alle Boote in Vorbereitung.

Sightseeing: Zwei Gruppen – Aussichtsplattform Tour Montparnasse, zu teuer! – Katakomben, Schlange zu lang – Friedhof Le Père-Lachaise, zu spät und Eskortierung zum Ausgang – Gelbwesten am Place Denfert-Rochereau – Einkaufstempel Samaritaine mit Dachterrasse, geschlossen. Wir essen Bagels, warum auch nicht? Immer wieder U-Bahn-Gänge, immer die gleichen weißen Fliesen und Kabel von der Decke. Automaten ziehen einem die Fahrkarten aus der Hand und spucken sie fast im selben Moment an anderer Stelle wieder aus. Schranken öffnen sich und Türen schließen. Ankündigung des nächsten Bahnhofs als Frage?

Treffpunkt in einem Restaurant im Quartier Latin. Beate bestellt wieder Carafe d’eau. Das weiß sie von der letzten Frankreichtour. Das müssen sie bringen und kostet nichts. Dafür keine Gläser dazu. Weitere Missverständnisse mit dem Kellner und für uns keine Kerzen auf dem Tisch. Das Essen – gar nicht schlecht.

Aufbruch am Morgen kurz vor halb sechs. Ruderfertig.  Natürlich dunkel – Vollmond war gestern. Den Weg haben wir uns gemerkt. Auf der Brücke ist es frisch. Am anderen Ufer schon Betrieb. Zweihundert Boote mit über tausend Rudermenschen. Frühstück: ein Kaffee und ein Croissant. Hektik – noch ein letztes Mal auf Toilette (für die nächsten vier Stunden). – Warten am Boot. Ulf fragt, wer eigentlich der Obmann sei? Die Franzosen schauen sich an. Kopfschütteln. Oder der Kapitän? Nein, so etwas gibt es hier nicht. Das Sagen hat allenfalls der Steuermann oder die Steuerfrau. Endlich, Boot auf den Wagen – Boot vom Wagen – nur nicht in der Mitte anfassen! Die Helfer sagen das auf Deutsch, überhaupt will jeder mit uns Deutsch reden und wenn man es nicht kann, entschuldigt man sich. Wer hätte das gedacht? Boote werden längs zum Wasser über zwei Treppen zum Schwimmsteg getragen. Die in der Mitte wären ins Wasser gefallen. Unser Boot wird seitlich aufs Wasser gesetzt, fast geworfen. Einsteigen, alle gleichzeitig. Kaum, dass wir sitzen, werden wir abgedrückt. Wir sind das Franzosenboot. François und Claire, Ulf als Übersetzer, Beate und ich. Der Rest (Karolin, Rebecca, Dominik und Sabine) mit Bernard auf Sharky. Unser Vierer ist fast der letzte. Schemenhaft die anderen Boote im Mondlicht auf dem Wasser. Stimmen, Lachen und dann lautstarke Gesänge. Punkt sieben Start – alle gleichzeitig – immer wieder verhaken sich Skulls. Es kommt gar zu Zusammenstößen. Das Feld verteilt sich. Der Mond verblasst und macht der Sonne Platz. Noch ist sie gnädig. Neben uns ein Schweizer Boot. Alle in Rot und zwei Kreuze auf dem Rücken. Ein anderes Boot mit lustigen Hüten. Ich auf der Eins, drehe mich um – Der Eiffelturm im Morgenlicht – die verbotene Zone – hier beginnt Paris. Es wird schon warm. Claire löst François auf dem Steuersitz ab. Wir müssen nicht steuern. Wildes Übereinanderklettern auf den anderen Booten. So ist das üblich hier. Von Eins zum Steuersitz und zurück – kein Problem. Immer auf der Waschbordkante lang. Auch unsere, schon ganz abgelatscht. Weiter geht´s – kanalisiert – ist das der Louvre jetzt da oben? Aber das ist die Pont Neuf, steht ja dran – sieht gar nicht so alt aus – jemand winkt herunter. Und dann Notre Dame ohne Dach – Gerüste, Absperrungen. Die Blase, Versuch eines Toilettengangs. Einem Boot gelingt’s. Aufsicht in Motorbooten macht Druck. Wir müssen weiter. Wir sind schon wieder fast die letzten. Es geht zurück auf der anderen Seite der Cité. Am Ufer ein paar Alkis, feuern uns an. Wir finden Anschluss ans Feld. Zähne zusammenbeißen – rechts halten – unbedingt rechts halten, wird uns zugerufen. Das erste Frachtschiff kommt uns entgegen – na und – hier ist es dreimal so breit wie auf der Spree. Beim Trocadéro in praller Sonne – Models am Ufer – Fotosession mit Eiffelturm. Hitze, 30 Grad – Durststrecke und Kampf. Sonnenbrille vergessen – die Krempe der Märkermütze zu schmal.

Endlich zurück beim Park Nautique. Eine ordentliche Wende kennen die hier nicht. Der Steg wird irgendwie angepaddelt. Erleichterung. Nach dem Toilettengang erstmal ein Kronenbourg. Das andere Boot längst zurück – wollte sogar noch woanders lang – Zusatzkilometer – heute nicht! François stellt sich für uns alle in der Essensschlange an. Riesige Pfannen mit Reis, Würsten und Garnelen und nur eine mit was Vegetarischem, schon halb leer. Dann, wir rücken an mit unseren Essensmarken, genannt Vouchers. Erst heißt es, wir hätten nicht angestanden, dann sagt die Frau, als sie hört, dass wir zusammengehören, (natürlich auf Deutsch): „Alle Deutschen nach vorne!“ Die Franzosen in der langen Reihe nicken. Wer hätte das gedacht? Drei-Gänge-Menü und dazu Rotwein. Wir sind in Frankreich. Tisch im Schatten. Fotosession zum Abschluss – Den Bordeaux kann man auch kaufen – mit Aufschrift „Traversée de Paris“. Im Gepäck nun Wein statt Bier.

Viel zu kurzer Mittagsschlaf im Hotel. Kaffeetrinken im Café an der Ecke. Sabine, Beate und ich – Cappuccino sechs Euro fünfzig? In dieser Gegend? – Wir stehen einfach auf und gehen. Ein Stück weiter kostet er nur vier fünfzig. Beate vermisst ihre Kamera. Die letzte Hoffnung stirbt. Sie befindet sich nicht am Obststand im Bahnhof Sowieso, der aussieht wie Hallesches Tor, wo wir am Vortag waren – fassungsloses Kopfschütteln des Verkäufers über eine anscheinend so dermaßen absurde Frage.

Picknick im Parc des Buttes-Chaumont. Wir sind nicht die Einzigen. Die Pariser scheinen ihre Parks zu lieben. Der Rasen saftig grün – wie macht er das? Überhaupt, die Grünanlagen immer gepflegt. Président, Tuc und ein Glas Essiggurken – dazu eine Flasche Wein – alles vom Späti an der Ecke. Wir fühlen uns wie Deutsche in Frankreich. Zwei künstliche Seen. Grüne Papageien schwirren durch die Luft. Vom Pavillon auf dem Gipfel des kunstvoll errichteten Felsmassivs aus dem neunzehnten Jahrhundert herrliche Aussicht auf die Stadt und die untergehende Sonne. Die Silhouette von Montmartre – Da sind irgendwo die anderen. Abschluss-Kronenbourg am Platz davor. Auf den Toiletten dieselben Fliesen wie in den U-Bahnen. Dann der Marsch nach Stalingrad (Pariser Metrostation). Rückfahrt ewig. Erschöpfung.

Frühstück: Neuerlicher Versuch, Eier zu kochen – wieder zu weich. Aufbruch zum Gare de l’Est. Endlich Postkarte gefunden, geschrieben und abgeschickt. ICE nach Karlsruhe – kein TGV. Reibungslose Rückfahrt. Sabine bleibt in Paris – Ulf auch. Abschlusstreffen im Bordbistro. Es werden Pläne geschmiedet für die nächsten Stadtdurchfahrten: Venedig, Amsterdam, London und New York.

Aus Paris werden Sonnenuntergänge über den Tuilleries geschickt. In Berlin ist es kalt. Und ungewöhnlich still auf dem S-Bahn-Steig.

Wolfgang