Geschichten aus der Arbeitswelt

„Richard Nordhausen“ ist in die Jahre gekommen. Das sieht und merkt man ihm an. Kein Wunder – RN liegt seit Jahren in der großen Halle auf einem Wagen, und wer so praktisch auf einem Wagen liegt, kommt als erster raus. Deshalb dürfte der „Vereinsgründer“ das Boot sein, das am häufigsten draußen ist. Ist ja auch ein schönes, praktikables und für alle Situationen gefälliges Boot. Das Ziel ist, RN so weit fertig zu machen, dass er ohne Probleme nach Düsterförde transportiert werden kann. Dort soll er dann, ähnlich einem betagten Arbeitspferd, sein Gnadenbrot fristen und uns für (hoffentlich) viele schöne Ausfahrten zur Verfügung stehen. Aber in Düsterförde haben wir naturgemäß keine Arbeitsmöglichkeiten, deshalb muss er hier wieder topfit werden. Nun liegt er also seit dem Herbst in der Werft und HaSe und ich arbeiten dran, Peter R. wird später bei der Oberflächenbehandlung seinen Einsatz haben. Unterstützt werden wir von gut gemeinten („Ihr macht das schon!“) und weniger hilfreichen Bemerkungen („Die Erfahrung besagt, dass jeder Neue erst einmal ein Boot ganz kaputt macht“).

Zunächst eine Bestandsaufnahme: Bei ruhiger Betrachtung haben wir etwas über 20 Stellen festgestellt, an denen am RN schon mal gearbeitet wurde – bösartig könnte man behaupten, RN wird von Reparaturstellen zusammengehalten. Das stimmt natürlich nicht. Das Boot ist ansonsten prima, hat aber gewisse kleinere Gebrauchsspuren und größere Schäden. Aktuell sind es 10 Risse, Brüche etc., die bearbeitet werden müssen – zwischen 5 und 30 (!) cm lang. Außerdem gibt es innen angefaulte Heckpartien, die mehr oder weniger mittels Kunstharz zusammengehalten werden. Möglicherweise kommt das durch die hecklastige Kielunten- Lagerung auf einem Bootswagen. All das dauert! Erstens dauert es, weil weder HaSe noch ich ausgebildete Tischler oder gar Bootsbauer sind. Wir müssen uns in diverse Techniken der Holzbearbeitung u.ä. einarbeiten (ich natürlich mehr als HaSe, der Chef).  

Zweitens ist unsere „Werft“ kein professioneller Betrieb. Mittlerweile sind wir mit Werkzeugen und -materialien recht gut ausgestattet, aber eine richtige Werft ist da eben besser dran. Drittens arbeiten wir nicht jeden Tag, und zwischen einzelnen Arbeitsgängen wie Trocknung etc. muss Zeit liegen – 24 Stunden sind das Minimum.

Viertens: Die Temperaturen! Wenn wir morgens in der Werft den Heizlüfter einschalten, sind es mitunter ein bis drei Grad Celsius. Dick eingemummelt kann man dann schon arbeiten, richtig Spaß macht es aber noch nicht. Gegen 12 Uhr haben wir dann lauschige 12°. Das ist die Mindesttemperatur für Lacke, Leim u. Ä. Allerdings sollte das zu bearbeitende Boot auch nicht kalt sein, alle Teile sollten annähernd die gleiche Temperatur haben. Es dauert also. Zwischendurch musste RN aus der Werft raus, weil „Jung Frithjof“ seine neuen Ausleger bekommen hat. Bootsbauer Langhanke hat sie bei uns montiert, und als Frithjof Kiel oben in der Werft lag, haben wir einen 15-cm-Riss festgestellt. Da war noch eine leichte schützende Lackschicht drüber, aber beim nächsten oder übernächsten Wassergang unseres „neuen“ Skull-Vierers wäre es sicherlich passiert. Also Riss aufmachen, Furnier einkleben, Überstände nach Trocknung abschleifen, Schadstelle schleifen, 2 x lackieren… Auch das dauert, siehe oben. Wenn die bösen Stellen am RN beseitigt sind, muss er angeschliffen und lackiert werden. Auch das geht nicht von jetzt auf gleich. Vorgesehen ist, dass Freiwillige mal ein paar Arbeitsstunden ableisten, z. B. Samstag schleifen, Sonntag lackieren, nächsten Samstag noch einmal anschleifen und Sonntag endgültige Lackierung. Und dann kann er endlich raus, aufs Wasser, wo er hingehört.

Axel