Fahrt nach Tours, Frankreich vom 31. August bis 06. September 2017
Rudern auf dem Cher, Nebenfluss der Loire
Wie alles begann: Odile, unsere Französin, hatte bereits seit einiger Zeit die Idee einer Ruderfahrt mit Märkerinnen und Märkern in ihrem Heimatland und traf im Verein sofort auf Zustimmung. Bei ihren ersten Recherchen musste Odile aber bald feststellen, dass individuell zu rudern in Frankreich einige Komplikationen mit sich bringt. Um nur zwei zu nennen: Man muss sich in den Schleusen, die es zahlreich gibt, anmelden, und es sind Sicherheitswesten vorgeschrieben. Schließlich stieß Odile auf das Angebot des französischen Ruderverbands (Fédération Francaise d’Aviron) von organisierten mehrtägigen Ruderfahrten (Circuit Randon’Aviron) in touristisch interessanten Gebieten. Sie schlug eine zweitägige Tour vor: Gesamtstrecke 40 km (hin und zurück) auf dem Cher, einem Nebenfluss der Loire. Die Organisation lag beim Ruderclub COTS Aviron, ansässig in Bléré, nahe der Stadt Tour.
Nach weiteren Gesprächen im Verein wurde beschlossen, den Aufenthalt in Frankreich um zwei Tage Fahrradfahren an der Loire zu verlängern. Hier engagierte sich Achim sehr bei der Planung. Vielen Dank dafür! Odile organisierte den Kontakt zum Ruderclub COTS, die Übernachtungen, Fahrradvermietung, etc. Als weiteren Beitrag zur Reisevorbereitung bot sie einen Französischkurs für uns an: Etwa achtmal haben sich alle von uns, die es an den Wochenenden einrichten konnten, getroffen, um (überlebens-)wichtiges französisches Vokabular zur Konversation und zum Rudern zu lernen. Wir trafen uns im Verein bzw. im – von Knut ehrenamtlich betreuten – Energiemuseum in Steglitz. Das Französischlernen mit Odile hat viel Spaß gemacht und war zudem ein schönes Gruppenerlebnis vor unserer Reise.
Die Anreise: Der größte Teil unserer 14-köpfigen Reisegruppe entschied sich für die Anreise per Flugzeug über Paris; einige fuhren komplett mit der Bahn. Bruni und Hartmut kamen mit dem Auto angereist. Die Organisation des Fluges lag bei Eberhard, letztendlich aber auch bei Air Berlin, wie sich bald herausstellen sollte…
Die Stadt Tours: Am Donnerstag, dem 31. August, trafen wir uns gegen 18:00 Uhr auf dem schönen Bahnhof von Tours – alle bis auf Achim und Dieter; sie konnten dank des von Air Berlin gecancelten Fluges leider erst einen Tag später anreisen. Auch für die anderen war der Flug von der Airline kurzerhand vorverlegt worden, was ihnen einen stundenlangen Aufenthalt auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle beschert hatte (dies galt, nebenbei gesagt, auch wieder für den Rückweg). Ein herzlicher Dank geht an Eberhard, der glücklicherweise die Info-E-Mail von Air Berlin rechtzeitig gelesen hatte, und nach nervenaufreibenden Telefonaten die Umbuchung noch organisieren konnte. In Tours angekommen, brachten wir unser Gepäck ins zentral gelegene Hôtel Mondial an der imposanten Place de la Resistance. Recht schnell fanden wir unter Odiles fachkundiger Leitung ein sehr gutes Restaurant und wurden von ihr in Gepflogenheiten des Essengehens in Frankreich eingeweiht: Bestellung von kostenlosem Wasser (carafe d’eau), Menüfolge und die Problematik von Einzelabrechnungen… Der Einfachheit halber übernahm Odile an diesem ersten Abend zur Freude der Bedienung einen großen Teil der Serviceleistung. Unser langer Anreisetag endete bei einer kunstvollen Lichtinstallation mit musikalischer Untermalung an der Fassade der beeindruckenden Kathedrale von Tours. Am Freitagmorgen sind wir nach einem sehr reichhaltigen Frühstück bei strahlendem Wetter zu einer Tour durch Tours gestartet. Odile hatte sich auch hier eingearbeitet und uns zunächst zur Basilika mit dem Grab des Heiligen St. Martin (Stichwort: Laternenumzüge im November) geführt. Danach ging es weiter, vorbei am mittelalterlichen Tour Charlemagne, durch die Altstadt mit herrlichen Fachwerkhäusern, römischen Ausgrabungen und vielen kleinen exklusiven Fachgeschäften.
Nach einem Mittagessen auf der idyllischen Place Plumereau und dem Abwarten des einzigen (!!!) wirklichen Regenschauers der ganzen Woche besuchten wir in kleineren Gruppen zwei verschiedene Museen: das Musée des Beaux Arts sowie das Musée du Compagnonnage, in dem kunstvollste Exponate und die Geschichte der Wanderschaften im frühen Zunftwesen gezeigt wurden, gefielen uns außerordentlich gut. Am Nachmittag konnten sich uns endlich auch Achim und Dieter anschließen, und wir besichtigten noch die Kathedrale mit ihrem monumentalen Innenraum und leuchtenden alten und neuen Fenstern; das Ganze begleitet von Bach’scher Orgelmusik. Um 19:00 Uhr wurden wir schließlich vom Ruderverein COTS mit zwei Kleinbussen abgeholt und mit unserem Gepäck in ca. einstündiger Fahrt in unser Ruderquartier in Angé gebracht. Dort erwartete uns ein schön angelegter, moderner Campingplatz mit recht bequemen Zelten und kleinen Hütten – sowie Bruni und Hartmut, die ein eigenes Quartier in der Nähe bezogen hatten. Leckere Pizza, kleine Snacks und mitgebrachter Wein rundeten den recht kühlen Abend in einem Aufenthaltsraum des Campingplatzes ab.
Rudern auf dem Cher: Der Samstagmorgen begann nach mehr oder weniger geruhsamer Nacht früh und kalt, aber wieder bei Sonnenschein. Bereits gegen 7:30 Uhr wurden wir mit den Kleinbussen zum Ruderverein COTS nach Bléré gebracht, dem Ausgangspunkt unserer Tour. Am Ufer des noch nebelverhangenen Cher bekamen wir ein französisches Frühstück im Stehen: Café au lait (mit heißer Milch aus der Kanne) und Croissants. Anschließend ging es an die Boote: Kunststoffboote mit wenig Platz für Gepäck. Insgesamt gingen ca. 20 Vierer an den Start mit Ruderinnen und Ruderern aus verschiedenen Regionen Frankreichs. Wir gingen in drei Vierer, wobei uns noch ein französischer Ruderer zugeteilt wurde: Bernard aus der Nähe von Paris, der, aus dem Elsass stammend, sehr gut deutsch sprach. Es folgte eine lebhaft vorgeführte Sicherheitseinweisung des Vereins für das Verhalten in den Schleusen. An einem über das Schleusenbecken gespannten Seil sollte sich der Steuermann bzw. die Nummer Eins festhalten. Wir mussten diese Technik tatsächlich sehr häufig praktizieren, denn auf der ca. 20 km langen Strecke gab es 5 (!) Schleusen, ca. alle 4 km eine. Sie stammten aus der Zeit des Bergbaus bzw. Steinbruchs, als der Cher für den Transport von Lasten schiffbar gemacht wurde. Das Engagement des heimischen Rudervereins beim Schleusen war enorm: Wie bei der Geschichte von Hase und Igel trafen wir beim Erreichen jeder neuen Schleuse auf dieselbe zahlreiche Besatzung wie bei der letzten Schleuse. Außerdem war stets jeweils ein Securité-Motor-Boot mit Rettungshund dabei.
Gegen 9:30 Uhr waren unsere Boote schließlich im Wasser: Es ging flussaufwärts Richtung Bourré. Der Cher ist in weiten Teilen sehr flach und hat einen sehr dichten Pflanzenbewuchs, teilweise bis in die Flussmitte. Das Ufer war wenig bebaut, die Landschaft flach bis hügelig. Schon bald passierten wir den touristischen Höhepunkt unserer Tour: Wir ruderten unter den steinernen Bögen des malerisch gelegenen Château de Chenonceau hindurch. Nach ruhiger Fahrt und den besagten Schleusen wurde zur Pause auf einer großen Wiese angelegt. Hier gab es frische, reich belegte Baguettes, Apfel- und Rotwein. Die Tour ging weiter, vorbei an dem Städtchen Montrichard mit einem burgähnlichen Schloss, und endete am Nachmittag in der Nähe unseres Campingplatzes, musikalisch begleitet von einer schwungvollen Blaskappelle. Wir verweilten noch an diesem schönen, sonnigen Uferplatz mit Blick auf einige alte Holzboote mit kostümierten Ruderern. Schließlich wurde sogar noch getanzt.
Zum Ende dieses besonderen Rudertages gab es im festlich dekorierten, voll besetzten großen Gemeinschaftsraum des Campingplatzes nochmals Blasmusik und eine feierliche Ansprache des Vereinsvorsitzenden des COTS. Er hob ausdrücklich unsere Gruppe („nos amis allemands“) hervor: Wir waren die einzigen aus dem Ausland angereisten und überhaupt die stärkste Vertretung eines einzelnen Vereins bei dieser Fahrt! Es folgte ein formidables 3-Gänge- Menü. Wir waren immer wieder aufs Neue fasziniert von dem unermüdlichen Einsatz des Vereins COTS – und dies bei einer Größe von nur 60 (!) Mitgliedern. Ganze Familien waren zur Unterstützung mit dabei, und am Ende des Abends wurde ausgelassen gefeiert. Ohne öffentliche Förderung wäre der enorme Aufwand allerdings wohl nicht zu leisten gewesen. Am Sonntagmorgen ging es noch früher los: Spätestens um 9:00 Uhr saßen wir wieder in den Booten. Jetzt saß Olivier, aus demselben Verein wie am Vortag Bernard, mit im Boot. Die Sonne kam auch bald wieder zum Vorschein. Heute musste wieder dieselbe Strecke zurückgerudert werden. Diesmal wurden wir aber schon mittags bei COTS erwartet. Es gab keine Pause, und die langwierigen Schleusengänge wurden jetzt mit 8 Booten pro Schleusengang verkürzt. Das „Entheddern“ der teilweise miteinander verkanteten Boote war mitunter ganz schön kippelig. In den eng gefüllten Schleusen konnten wir unsere Konversationskenntnisse anwenden. Besonders natürlich Odile knüpfte viele persönliche Kontakte für evtl. zukünftige gegenseitige Ruderbesuche.
Tatsächlich landeten wir, wie geplant, pünktlich gegen 13:30 Uhr beim Verein COTS. Wieder gab es ein hervorragendes Menü mit Kuchen und Wein. Wir Märker machten es uns damit am Steg gemütlich. Als sich die französischen Ruderinnen und Ruderer auf ihre Heimreise begaben und der Himmel sich bezog, wurden auch wir mit Gepäck nach Tours zurückgebracht. Als Gesamteindruck unserer Rudertour und nach Eindrücken aus Gesprächen mit einheimischen Ruderern lässt sich wohl sagen: Es war eine landschaftlich sehr schöne, historisch und kulturell interessante Tour. Als Ruderrevier jedoch ist unsere ausgedehnte Berliner Seen- und Flusslandschaft – noch dazu fast ohne Schleusen – kaum zu toppen. Wieder in Tours angekommen, fand um unser Hotel herum ein Straßenfest statt. An dessen Rande mussten wir, erschöpft und verschwitzt wie wir waren, inmitten der Menschenmenge unsere Koffer öffnen und kontrollieren lassen. Dann konnten wir unsere erste echte Pause im Hotelzimmer genießen. Am Abend ging der größte Teil der Gruppe eine Kleinigkeit essen in einer Brasserie gegenüber dem repräsentativen Rathaus. Nach „getaner Arbeit“ ließ man sich hier das belgische Bier schmecken.
Fahrradtouren an Loire und Cher (Loire à Velo): Auch am Montag ging es zeitig los: 9:30 Uhr Treffen zur Fahrradtour zum Château Amboise. Achim hatte eine 30 km lange Strecke an Loire und Umgebung für uns ausgewählt. Zuvor mussten wir uns aber noch einer einstündigen Prozedur in der Fahrradvermietung unterziehen, trotz Vorbestellung der Räder … Endlich ging es los unter Achims fachkundiger Leitung und einer kurzen Sicherheitseinweisung zum Fahren- in-der-Gruppe. Nach kleinen Anlaufschwierigkeiten ging dann zum Glück – bis auf einen leichten Sturz – auch alles glatt. Unsere Fahrt führte uns aus Tours hinaus, auf asphaltierten, gut beschilderten Wegen durch Auen und über Deiche entlang der Loire bis zum beschaulichen Örtchen Montlouis. Hier und in den daran anschließenden Weinanhöhen galt es, einige Höhenmeter zu meistern. Nach einer kurzen Trinkpause, eine freundliche Dorfbewohnerin hatte uns dazu eingeladen, ging es direkt nach Amboise. Dort warteten wiederum Bruni und Hartmut auf uns. Viel Zeit blieb uns nicht für den Aufenthalt, und so teilte sich die Gruppe schnell in mehr und weniger an einer Schlossführung Interessierte. Der Blick von der hoch gelegenen Terrasse des burgartigen Schlosses bot einen weiten Blick über das Loiretal. Zudem ist in einer Kapelle das Grab Leonardo da Vincis zu besichtigen. Das von ihm kurzzeitig bewohnte Schlösschen Le Clos-Lucé mit Park konnte auch bewundert werden, ebenso wie die für die Gegend typischen und teilweise heute noch genutzten Höhlenwohnungen. Der Rückweg mit den natürlicherweise gleichen Aufs und Abs zog sich etwas länger hin als geplant. Schließlich landeten wir noch zu einem leichten Abendessen in einem libanesischen Restaurant in Tours. Einige gingen dann noch auf einen „Absacker“ in eine Kneipe am Ufer der Loire, wo Studierende lautstark den Beginn ihres zweiten Studienjahres feierten.
Am nächsten Morgen, diesmal auch mit Bruni und Hartmut, war der Start flotter, denn die Räder hatten wir über Nacht behalten können. Achim hatte die entgegengesetzte Richtung für uns gewählt: am Cher entlang zum Château de Villandry. Diszipliniert ließ die Gruppe unter seiner Führung Tours hinter sich. Die Strecke war wieder sehr gut zu befahren und diesmal nahezu eben. Es ging meistens nahe dem Cher entlang, an Maisfeldern und kleinen Gehöften vorbei. Unterwegs haben wir uns in dem kleinen Hafenort Savonnières gestärkt. Nach ca. 20 km hatten wir unser Ziel erreicht: Das Schloss Villandry mit einer großartig angelegten barocken Gartenanlage, die wir alle besichtigten. Einige von uns machten noch eine Stippvisite ins Schloss, denn auch heute, an unserem letzten Tag, war unsere Zeit begrenzt; es gab noch einiges in Tours zu organisieren. Der Rückweg verlief „wie am Schnürchen“, und gegen 16:00 Uhr gaben wir unsere Räder unversehrt zurück. Hier verabschiedeten sich Bruni und Hartmut von der Gruppe. Nach einer mit Shopping, Biertrinken oder Ausruhen verbrachten Pause trafen wir uns zu unserem letzten gemeinsamen Vorhaben, das wiederum Odile nach Absprache mit uns organisiert hatte: Wir waren um 19:00 Uhr bei den Schwestern des Benediktinerordens in der Basilika St. Martin zum Abendessen angemeldet. Einige von uns nahmen vorher sogar an einer Vesperfeier in der Kirche teil. Im Speisezimmer des Ordens gab es ein viergängiges einfaches Menü und Rotwein aus dem Loire-Tal. Einzelne Schwestern gesellten sich kurzzeitig zu uns und sprachen mit Odile über St. Martin und über ihre Kirche. Eine Schwester war vor ihrem Eintritt in den Orden sogar erfolgreiche Leistungsruderin… Nach diesem kurzen persönlichen Einblick in ein ganz anderes Leben machten wir uns letztmalig auf in die Straßen von Tours. In der Kneipe am Ufer der Loire nahmen wir gemeinsam einen „Scheidebecher“ ein. Hier gab es für die Organisator/innen dieser vollauf gelungenen Reise kleine Geschenke zum Dank. Auch an dieser Stelle möchte ich noch einmal die Gelegenheit nutzen, Odile für ihren großartigen Einsatz zudanken. Abgesehen von dem großen zeitlichen und organisatorischen Aufwand der Vorbereitung – inklusive Sprachkurs, den sie neben ihrer Berufstätigkeit geleistet hat – war sie die ganze Woche in Frankreich unermüdlich für uns im Einsatz. Sie hat organisiert, übersetzt und kulturelles deutsch-französisches Training mit uns gemacht. Unsere außergewöhnliche Ruderfahrt hätte sicher nicht halb so viel Spaß gemacht ohne ihre stets charmant und wortreich rübergebrachten Insidertipps und Informationen.
Merci beaucoup, ma chère Odile!
Beate Keibel