Hiddenseeumfahrt 2016

Als wir am späten Sonntagnachmittag bei einer Gulaschsuppe im Bootshaus des Stralsunder RC saßen und über die gerade beendete Wanderfahrt sprachen, waren wir uns einig, dass es eine lustige, spannende und teilweise aufregende Fahrt gewesen ist. Aber überzeugt euch selbst.

Es begann alles zu fortgeschrittener Stunde am Freitagabend, als wir bei Essen und Trinken über die anstehende Fahrt sprachen. Wir, das waren 10 erfahrene Ruderer aus verschiedenen Rudervereinen, im Alter von 20 bis 60+ Jahren. Aus der späteren Bootsaufteilung ergaben sich folgende Besatzungen, zu mindestens für den ersten Tag: in der Germania (Dreier) waren Torsten W. (Magdeburger RC, Obmann), Marilla S., Robert F. und ich; in der Hörn (Zweier) saßen Angela H. (Obfrau), Markus F. und Lutz H. (NARVA Oberspree) und der Ruden (Zweier) wurde von Hartmut W. (Stralsunder RC, Obmann), Harald H. (Märkischer Wassersport) und Julian M. gefahren.

Die wichtigste Person nach Angela H. als Fahrtenleiterin war Hartmut als „Schatten“-VL. Er kennt die Gewässer um Hiddensee wie seine Westentasche und kann am Besten das Wetter in dieser Gegend einschätzen. Am Freitag eröffnete er uns, dass, wenn das Wetter mitspielt, die Möglichkeit besteht, Hiddensee zu umfahren anstatt direkt nach Vitte (Hiddensee) oder Schaprode (Rügen) zu rudern. Das würde bedeuten, dass wir auf der Hinfahrt über die Ostsee und um den Dornbusch, so wird der hügelige Nordteil von Hiddensee bezeichnet, herumfahren und in Vitte auf Hiddensee übernachten würden. Das entspräche einer Strecke von schlappen 47 km. Am nächsten Tag würden wir von Vitte nach Stralsund zurück rudern, was noch einmal 30 km wären. Das Ganze bei vorhergesagtem Ostwind mit einer Windstärke von 4 bis 5. Natürlich waren wir für die Umfahrt, wer wird denn vor solchen Herausforderungen zurückschrecken!

Damit wir zeitig losfahren konnten, war am nächsten Morgen frühes Aufstehen angesagt. Nach einem kräftigen Frühstück fragte Hartmut noch einmal in die Runde, ob wir die Umfahrt wagen wollten, das Wetter würde es erlauben. Wir sollten aber bedenken, dass es höhere Wellen geben könnte. Wenn wir davor Angst hätten oder leicht in Panik geraten, würde er davon abraten. Die Antwort blieb die Gleiche, wir alle wollten die Umfahrt.

Bei etwas bedecktem Himmel fuhren wir Richtung Hiddensee. Wir kamen in der Germania schnell voran. Ich saß auf meinem angestammten Platz und gab den Schlag vor. Da wir öfter auf die beiden Zweier warten mussten, gingen die ersten Kilometer sehr entspannt voran. Torsten vom Magdeburger RC, den alle seit langer Zeit nur Wotan nennen, nutzte die Zeit, um viele Bilder zu machen. Auf dem Bild unten ist Wotan zu sehen, ich denke der Spitzname ist selbsterklärend.

Das Wetter klarte zunehmend auf, Wellen waren bisher kaum vorhanden, es ruderte sich wunderbar und man konnte seinen Blick schweifen lassen. Inzwischen hatten wir den Bodden erreicht. Auf der Backbordseite war der Darß zu sehen, auf Steuerbord Rügen. An der Südspitze von Hiddensee fragte uns Hartmut zum letzten Mal, ob wir Hiddensee umfahren wollten. Die Antwort war die gleiche wie am Morgen. Ich wunderte mich schon ein wenig über seine häufigen Fragen, da das Wetter bisher sehr gut war. Auch die ersten Kilometer auf der Ostsee, also der Westseite von Hiddensee, waren sehr entspannt, wobei ich zugeben muss, dass die Germania für diesen Zweck der Umfahrt auch sehr gut geeignet ist. Mit Wotan an Bord ging es sehr lustig zu. Aber auch von den Zweiern hörten wir Lachen und das Ploppen der Flaschen.

Nachdem wir das südliche Naturschutzgebiet passiert hatten, fanden wir einen schönen Strand für die Mittagspause. Damit lag ca. die Hälfte der Strecke hinter uns. Unsere Laune war bestens, was sollte jetzt noch geschehen.

Für die nächsten Streckenabschnitte war es gar nicht so einfach, jemanden zum Steuern zu finden. Schließlich einigten Marilla und ich uns darauf, dass sie bis zur Nordspitze von Hiddensee steuert, ich würde dann den Rest übernehmen. So geplant, so getan. Nachdem wir gesättigt waren, konnte es weiter gehen. Das Wetter war immer noch sehr schön, aber das Wasser wurde mit jedem Kilometer, den wir uns dem Dornbusch näherten welliger, wenn auch nicht dramatisch. Langsam kamen wir den steilen Hängen des Dornbusches immer näher. Hartmut hatte uns vorher eingeschärft, bei der Umfahrung der Nordspitze zur Küste einen Abstand von ungefähr 500 m einzuhalten, dumm nur, dass es weiter draußen auch welliger war. Mit jedem Meter, dem wir uns dem Dornbusch näherten, bewölkte sich auch der Himmel mehr. Für Marilla als Steuerfrau wurde es allmählich immer kühler. Immer noch gut gelaunt, begannen wir die nördliche Umfahrt. Der Wind kam aus Norden oder mehr Nordost, das sollte uns bald egal sein. Die Wellen kamen gefühlt von allen Seiten und wir kamen kaum noch voran. Die beiden Zweier wurden hinter uns immer kleiner und fuhren immer langsamer (am nächsten Tag sollte ich erfahren, wieso).

Die Wolken hingen finster über uns, es regnete aber nicht. Dies änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass wir trotzdem immer nasser wurden, weil die immer größeren Wellen von vorn und von der Seite über die Germania schwappten. Trotzdem ging es bei uns noch lustig zu. Immer wenn wir mit dem Bug des Bootes in das Wellental klatschten, lachte Wotan, der auf der Eins saß, laut auf. Dass er schon total nass sein musste, schien ihn wenig zu stören. Ich hatte jedoch den Eindruck, aus dem fröhlichen Lachen wurde langsam ein grollendes Lachen.

Nach einer Weile fragte ich Marilla, wie weit der Leuchtturm noch entfernt sei. Sie sagte, sie könne ihn schon gut sehen. Das sagte sie auch gefühlte 20 Minuten später, der Leuchtturm wollte und wollte nicht näher kommen.

Endlich hatten wir den Leuchtturm erreicht und dort zeigte sich, dass der Dornbusch noch einige „Ecken“ für uns bereithielt. Marilla als Steuerfrau fror immer mehr. An und für sich wollten wir hier wechseln, was die Wellen allerdings nicht zuließen, so musste sie fürs Erste weiter steuern. Die Wellen kamen immer mehr von der Backbordseite. Dabei hätte Marilla gerne die Wellen anders angesteuert, dumm nur, dass das Steuer bei diesem Wellengang häufig in der Luft hing. Uns drei Ruderern in der Germania ist übrigens nicht kalt geworden, da wir alle Hände voll zu tun hatten, das Boot voran zu bringen.

Als wir den Dornbusch so gut wie hinter uns gelassen hatten, warteten wir auf die beiden Zweier, die nur noch kleine Punkte am Horizont waren. In der Zwischenzeit konnten Marilla und ich die Plätze tauschen. Da wir nicht genau wussten, wo es weiter lang geht, haben wir die Ruden mit Hartmut an Bord vorfahren lassen.

Zu unserem Erstaunen fuhr die Ruden einen für uns nicht verständlichen Zickzackkurs. Anstatt sich Vitte zu nähern, entfernte sie sich immer mehr davon. Irgendwann hielt die Ruden an einer Sandbank an, da die Mannschaft, wenn sie in Vitte ankommen wollte, aus der Ruden erst einmal Wasser schöpfen musste. Das meiste Wasser war in die geschlossenen Bootskästen gelaufen, in denen auch das Gepäck transportiert wurde, was entsprechend „befeuchtet“ war. Wir warteten geduldig darauf, dass die Ruden wieder fahrbereit war. Als es losgehen sollte, begriffen wir den Zickzackkurs der Ruden. Das Wasser auf den Sandbänken war so niedrig, dass wir fest gefahren waren. Robert und Wotan zogen uns von der Sandbank weg und nachdem wir endlich wieder fahrbereit waren, konnte es weiter gehen.

Am Abend kamen wir in Vitte an, der erste Tag war geschafft. Wir zelteten direkt auf dem Gelände des Yachthafens. Beim Aufbau der Zelte stellte sich heraus, dass einige Sachen klitschnass waren. Betroffen war u.a. der Schlafsack von Robert. Sohn Markus bot ihm aber für die Nacht Asyl unter seinem Schlafsack an.

Nachdem wir heiß geduscht und uns trockene Sachen angezogen hatten, ging es zur Gaststätte „Godewind“. Wenn wir noch etwas Heißes essen wollten, mussten wir uns beeilen, da um 21:00 Uhr die Küche schloss. Übrigens: zu einer Wanderung zum Leuchtturm hatte niemand mehr Lust. So klang der Abend bei einem guten Essen und Trinken für alle gemütlich aus. Natürlich stießen wir auch auf das Neuwasser an. Die Meisten tranken den für Hiddensee typischen Sanddorn-Schnaps oder Sanddorn-Tee.

Der nächste Morgen begann mit strahlendem Sonnenschein, aber ziemlich viel Ostwind. Hartmut machte kein begeistertes Gesicht, oder bildete ich mir das nur ein? Nachdem wir die Zelte abgebaut und alles zusammengepackt hatten, gingen wir im „Godewind“ sehr ausgiebig, lecker und entsprechend teuer frühstücken.

Beim Frühstück legte Angela auch eine neue Mannschaftsbesetzung der Boote fest. Auffallend war, dass sich diesmal viele freiwillig zum Steuern meldeten. So kam es, dass ich die Rückfahrt gemeinsam mit Julian und Angela in der Hörn antrat. Wie der Blick von Hartmut schon verraten hatte, würde die Rückfahrt kein Zuckerschlecken werden. Durch den Ostwind hatten wir wieder Wellen von der Seite. Da die Hörn ziemlich tief im Wasser lag, kamen Wellen relativ schnell ins Boot, zumal wenn man kräftig durchzog, um mit der Germania mitzuhalten. Um nicht ständig Wasser schöpfen zu müssen, hieß es also eher mit halber Kraft zu fahren. Jetzt wusste ich auch, wieso am Tag zuvor die Hörn bei der Umfahrung des Dornbusches soweit zurück gelegen hatte.

Wie bei der Hiddenseefahrt üblich, machten wir neben der Tonne 43 auf einer Sandbank Pause. Da der Wasserstand hier schön niedrig ist, konnten wir auch aussteigen. Nach einer sonnigen Pause ging es zur letzten Etappe über den Bodden.

Je mehr sich der Bodden verbreiterte, umso größer wurden die Wellen. Ich hatte den Eindruck, dass wir mit der Umfahrung des Dornbusches, den ich schon das Kap Horn von Hiddensee nannte, Neptun und Poseidon erzürnt hatten. Julian gab zwar zu bedenken, dass diese beiden Götter nur im Mittelmeer zu tun hatten. Egal, an der Ostsee gibt es immer Neptunfeste, also wird es wohl Neptun gewesen sein. So ging es für uns in der Hörn mit halber Kraft weiter, um keine Wellen ins Boot zu bekommen.

Da die Wellen immer mehr von Backbord kamen, verlagerten wir unser Gewicht auf die Steuerbordseite, so dass die Backbordseite des Bootes höher lag. Dadurch schleiften zwar auf der Steuerbordseite die Blätter immer schön übers Wasser, aber wir bekamen wenigsten nicht so viel Wasser ins Boot.

Irgendwann hatten wir den Bodden überquert und fuhren unter Land an der Küste von Rügen bis Stralsund. Hier war das Wasser glatt wie auf der Havel bei Windstille, kaum zu glauben, dass wir gerade noch mit den Wellen gekämpft hatten. Ich konnte, wenigsten einige Minuten, wieder kräftig durchziehen. Das Wasser wurde bei der Überquerung des Strelasunds noch einmal unruhig, dann hatten wir es aber geschafft. Schnell hatten wir die Boote „versorgt“ und uns selber wieder fein fürs Stadtleben gemacht. Anschließend saßen wir bei der schon genannten Gulaschsuppe. Unser Resümee über die Fahrt war, dass es sich gelohnt hat, um Hiddensee herum zu fahren. Wir würden auch gerne mal wieder nach Hiddensee fahren, eine Umfahrung ums Kap Horn von Hiddensee würde dabei aber wirklich nicht wieder nötig sein. Das war abgehakt.

Karsten